AGROSPRIT IN NICARAGUA

von Quint Czymmek (Informationsbüro Nicaragua)

„Ich glaube, dass wir Bioethanol brauchen, aber die Voraussetzung für die Akzeptanz ist eine nachhaltige Entwicklung.“

Dieses Zitat stammt von Angela Merkel anlässlich eines Brasilienbesuchs im Jahr 2008. Bioethanol wurde lange Zeit als der Hoffnungsträger der Energiebranche gesehen. Agrosprit kann aus Zuckerrohr, Getreide, Mais und anderen pflanzlichen Erzeugnissen produziert werden.

Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft überschlugen sich geradezu vor Begeisterung und priesen den Agrosprit mit den wohlklingenden Worten ’nachhaltig‘, ’sozial verträglich‘ und ‚klimaschonend‘ an. Zunächst einmal wirkt die Begeisterung schon plausibel. So klingt die Idee, Treibstoffe aus pflanzlichen Rohstoffen klimaschonend zu generieren erst einmal sehr verlockend. Die EU-Staaten verpflichteten sich bis zum Jahr 2020 10 % der Energie im Verkehrssektor aus erneuerbaren Energien zu gewinnen.

Mittlerweile ist die Euphorie verflogen und die Stimmen, die Agrosprit als die zukunftsweisende Energiegewinnung anpriesen, sind weitgehend verstummt. Verschiedenste Studien belegen, dass der vermeintliche ‚Biosprit‘ durchaus nicht als Klimaretter zu betrachten ist, sondern im Vergleich mit anderen Treibstoffen vergleichbare Emissionen von klimawirksamen Gasen verursacht. Trotz dieser Tatsachen wird der Agraranbau zum Zwecke der Herstellung von Agrosprit weiterhin voran getrieben. Agrosprit hat fatale Wirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen. Dies soll hier am Beispiel der Zuckerrohrproduktion in Nicaragua illustriert werden.

Im Allgemeinen lassen sich die Folgen des Zuckerrohranbaus in Nicaragua als verheerend charakterisieren.Von 2011 bis 2012 wuchs die Produktion von Zuckerrohr um 18% und damit auf über 6 Mio Tonnen Zuckerrohr. Der Anbau schädigt sowohl die Umwelt als auch die Gesundheit der Menschen. So werden die Pflanzen, um sie vor Schädlingen zu schützen, großflächig mit Pestiziden behandelt. Vor der Ernte werden die Blätter der Pflanzen dann abgeflammt. Dadurch atmen die Arbeiter durch den Qualm und die Asche die Pestizide ein. Dies führt zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen, unter anderem zu der chronischen Niereninsuffizienz, die so gehäuft nur im Umfeld von Zuckerrohranbaugebieten auftritt. Bis heute sind über 5000 Menschen an der Krankheit gestorben. Die Unternehmen, die den Zuckerrohranbau in Nicaragua unter sich aufteilen, sind „Nicaragua Sugar Estades Limited“, der zur Pellas Gruppe gehört und der guatemaltekische Konzern „Pantaleon“. Diese Unternehmen, denen die Plantagen gehören, leugnen jede Verantwortung und lehnen auch eine Entschädigung und Hilfe für die erkrankten Arbeiter_innen ab. Von Seiten der Konzerne wird bestritten, dass die Niereninsuffizienz tatsächlich etwas mit dem Pestizideinsatz zu tun hätte.

Finanzhilfe für Zuckerrohranbau von der DEG

Auch die Bundesregierung und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, die dem in Sachen Zuckerrohranbau führenden Konzern „Nicaragua Sugar Estates Limited“ (NSEL) ein langfristiges Darlehen über 10 Mio US Dollar gewährte, leugnet einen Zusammenhang zwischen dem Pestizideinsatz und der Niereninsuffizienz von Arbeiter_innen. So heißt es in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der LINKEN, dass Studien ergeben hätten, dass die Niereninsuffizienz nicht auf den Pestizideinsatz zurückzuführen sei. Allerdings werden in der genannten Studie nur einzelne Pestizide auf ihre gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen getestet. Auf den Zuckerrohrplantagen werden jedoch mehrere Pestizide kombiniert, sodass die von der Bundesregierung rezipierte Studie kaum bis keine Aussagekraft hat. Auch die Behauptung seitens der Bundesregierung, dass das Trinkwasser in der Nähe der Plantagen nicht durch Pestizide verunreinigt worden sei, kann man getrost als Propaganda bezeichnen. So haben Studien ergeben, dass das Wasser in der Nähe der Plantagen hochgradig durch Pestizide verunreinigt ist. Die Antwort der Bundesregierung lässt sich durchaus als Schlag ins Gesicht der Betroffenen bezeichnen, da sie die Folgen der Zuckerrohrproduktion, an der die BRD selbst ein vitales Interesse hat, als reines Problem von Nicaragua abtut und die eigene Verantwortung leugnet.

Selbstorganisierung der Betroffenen

Die Leugnung der Verantwortlichen, dass die chronische Niereninsuffizienz durch Pestizide ausgelöst wird, hat für die Betroffenen gravierende Folgen. Sie erhalten wenig Unterstützung durch den nicaraguanischen Staat und auch die Unternehmen haben bisher außer wohlklingenden Versprechungen nichts getan, um die Lage der Betroffenen zu verbessern oder ihnen die dringend benötigte Hilfe in Form von Medikamenten und Nahrung zu gewähren. Mehr noch werden Arbeiter_innen, die von der Krankheit betroffen sind, sofort entlassen und verlieren somit ihre Existenzgrundlage. Das Unternehmen versucht so, sich von der Verantwortung für die Erkrankungen reinzuwaschen.

Um gegen diese unhaltbaren Zustände vorzugehen und ihre Rechte einzufordern, haben von der Krankheit Betroffene und Unterstützer_innen die Organisationen ASOTRAIRC und ANAIRC gegründet, um die Arbeiter_innen praktisch zu unterstützen und Druck auf Regierung und Unternehmen aufzubauen. Ihre Forderungen lauten:

  • die Unternehmen müssen ihre Verantwortung für die Erkrankungen anerkennen,
  • sie müssen Entschädigungen an die erkrankten Arbeiter_innen und an die Hinterbliebenen der Verstorbenen zahlen,
  • Hilfe zum Überleben für die betroffenen Familien leisten,
  • den Pestizideinsatz auf den Plantagen umgehend stoppen.
  • Von der Regierung wird eine staatliche Krankenrente gefordert, um den arbeitsunfähigen Menschen und ihren Familien eine Absicherung zu geben.

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