Bitterer Zucker: Tote in Chichigalpa
Der Vulkan San Cristobal, hier ganz in der Nähe von Leon, stößt wie jedes Jahr um diese Zeit wieder seine Rauchwolken aus und erinnert damit an die permanente Gefahr, die von ihm immer noch ausgeht.
Zu einem dramatischen Ausbruch jedoch ist es vor dem Zuckerrohr Ingenio von San Antonio in Chichigalpa am Wochenende gekommen. Noch bei unserem letzten Besuch vor vier Wochen hatten uns die Ex-Arbeiter und Erkrankten zugerufen „Ihr werdet in den nächsten Wochen von uns hören!“ Am vergangenen Samstag blockierten sie bewaffnet mit Eisenstangen und Steinen die Zufahrt zum Haupttor, um endlich Gehör in den Medien mit ihren Forderungen zu bekommen.
Eine Einheit der Polizei griff nach den ersten Steinwürfen zu den Waffen und feuerte teils mit Gummigeschossen, aber auch mit Metallpatronen auf die Blockierer. Dabei kam mindestens einer der ehemaligen Arbeiter im Alter von 47 Jahren ums Leben, mehrere wurden verletzt, darunter ein 14 jähriger Junge, der schwere Augenverletzungen davontrug. Die Wogen in den nicaraguanischen Medien schlugen hoch, inzwischen wurden neun der Einsatzkräfte suspendiert. Nach Aussagen des Innenministeriums und internen Untersuchungen der Polizei erfolgte der Schusswaffengebrauch ohne Erlaubnis, die Verantwortlichen werden vor Gericht gestellt.
Noch in der gleichen Nacht kam es zu schweren Ausschreitungen in Chichigalpa. Kaum hatte sich die Lage etwas beruhigt, machen neue Nachrichten de Runde: Vergangene Nacht starben zwei schwererkrankte Exarbeiter vor der Klinik des Ingenios, ohne Einlass zu finden. Sie Begleiter hatten keine Versicherungskarte vorzuweisen und wurden abgewiesen! Damit zeigt sich wieder einmal die Unbarmherzigkeit eines Unternehmens dessen Vorstandsvorsitzender Pellas sich in den Medien Nicaraguas als großer Wohltäter und Sponsor feiern lässt.
In El Viejo und dem Ingenio Monte Rosa ist derzeit die Lage ruhig. Alvaro, Sprecher der Gruppe ASOTRAIRC, sieht der Einweihung der von Pantaleon finanzierten Nähkooperative mit großen Erwartungen entgegen. „Wir hatten vor zwei Jahren ähnliche Auseinandersetzungen, als wir den Betrieb zeitweise besetzten. Inzwischen haben wir mit der Geschäftsführung ein Abkommen, das Lebensmittelhilfe für die betroffenen Familien, Stipendien für Kinder von Erkrankten und diesen neuen Betrieb, der in Form einer Kooperative unserer 350 Mitglieder betrieben wird.
In den letzten Jahren hat das Nicaragua-Forum Heidelberg insbesondere die medizinische Versorgung dieser Gruppe von Erkrankten durch die Finanzierung von wichtigen Medikamenten finanziert. Eine neue Reihe von präventiven Maßnahmen ist zusammen mit dem Centro de Salud, dem Frauenzentrum El Viejo und anderen Organisationen geplant. Die Themen und Schwerpunkte werden derzeit erarbeitet. Damit sollen nicht nur Erkrankte und deren Familien, sondern die besonders gefährdeten Familien in der Anbauregion des Zuckerrohrs gezielt angesprochen werden.
Aber auch hier in El Viejo mit dem Unternehmen Pantaleon liegen die Verantwortlichkeiten auf der Hand: Ohne grundsätzliche Regelungen, was Entschädigungen, Pensionen und die notwendige medizinische Versorgung der Betroffenen, aber auch was die Frage des Zugangs zu sauberem Wasser, dem Schutz vor den eingesetzten Pestiziden und einer Umstellung auf eine umweltverträgliche Produktion angeht, wird es keine Ruhe in der Region geben!
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